Von 1943 bis heute
Gründung des OKB (1943–1945)
„Für die Freiheit und die Vielfalt der Kunst“ – dieser Grundgedanke führt vor 75 Jahren, im Jahr 1943, zur Gründung des OKB. Zehn Jahre zuvor waren die Nationalsozialisten an die Macht gekommen. Ihre Kunstpolitik zerstört rücksichtslos die weltoffene, lebendige Kunstszene Deutschlands, bricht die Freiheit der Kunst, verfemt und zerstört, was nicht ihren ideologisch-politischen Zielen unterzuordnen ist. Die innovative Kunst der Moderne wird als „entartet“ gebrandmarkt und verboten, viele Künstler und Künstlerinnen ins KZ verschleppt und ermordet, andere mit dem Verbot künstlerischer Betätigung in die Emigration oder ins Abseits verbannt. Die NS-Machthaber initiieren eine ideologisch konforme Propagandakunst und öffnen Museen und Ausstellungen gefälligen Produkten, die ihrem kleinbürgerlichen Kunstverstand entsprechen. Rückblickend schreibt Hanns Hagenauer im OKB-Jahresbericht 47/48: „Die bildende Kunst wurde immer mehr zum Propagandamittel für die partei- und staatspolitischen Machtbestrebungen degradiert. …Die Dilettanten beherrschten allmählich den Ausstellungsraum.“
In dieser Situation muss der Gedanke, einen allein künstlerischer Qualität verpflichteten Künstlerbund zu gründen, als mutiger Versuch gewertet werden, der ideologischen Bevormundung ein Stück bürgerlich-individuelle Freiheit abzutrotzen. Die Gießener Künstler Hanns Hagenauer, Hellmuth Müller-Leutert und Carl Bourcarde ergreifen die Initiative und betreiben die Gründung des Oberhessischen Künstlerbundes. Im Entwurf für eine Satzung des Oberhessischen Künstlerbundes heißt es: „Der OKB bekennt sich zur Vielfalt der bildenden Kunst und ist offen für alle bildenden Künstler. Dabei ist nicht zu fragen, ob gegenständlich oder abstrakt, die Alternative heißt gut oder schlecht. Er wendet sich gegen jeden fixierten Kodex, was Kunst sei oder zu leisten habe.“
Auch wenn dieses Bekenntnis angesichts der politischen Realitäten nur Entwurf bleibt, bestimmt es doch Geist und Handeln der OKB-Gründer. Äußerlich wird das deutlich durch die gezielt begrenzte Aufnahme von Mitgliedern in den Bund. Von über vierzig Mitgliedern, die der Kreis Oberhessen in der Reichskammer der Bildenden Künste zählt, werden nur zwölf angesprochen und aufgenommen. „Das Entscheidende für die Aufnahme“, so Hanns Hagenauer im oben zitierten Bericht, „war die qualitative künstlerische Leistung, gleich welcher Richtung.“ Und im Protokoll der Gründungsversammlung heißt es: „Bei der Auswahl von Mitgliedern wird strengste Auswahl getroffen, um das hohe künstlerische Niveau des Bundes zu bewahren und zu fördern.“
Die Gründungsversammlung des OKB findet am 18. Mai 1943 im Gießener Lokal „Schwabs Weinstube“ statt. Angesichts der Hinrichtung des Gießener Künstlers Heinrich Will am 19. Februar 1943 wegen „Abhörens von Feindsendern“ muss sie als couragierte Demonstration gewertet werden, auch wenn, um die notwendige Aufnahme des Bundes in die Reichskammer der Bildenden Künste zu erlangen, formuliert wird: „Ferner wird der Bund ernstlich bestrebt sein, mit allen kulturellen Stellen des Staates, der Partei und des öffentlichen Lebens zusammen zu arbeiten." (Protokoll der Gründungsversammlung). Die Mitglieder erhoffen sich mehr künstlerische Freiheit und Eigenständigkeit. Die Einbindung von außerordentlichen Mitgliedern soll dieses Ziel unterstützen. Möglich wird die Aktivität des OKB dank Deckung und Unterstützung durch den Gaukulturwart Alwin Rüffer. Im Jahresbericht 1947/48 schreibt Hagenauer, der vom Präsidenten der Reichskammer der Bildenden Künste zum Vorsitzenden ernannt worden ist: „Kurze Zeit vor der Gründungsversammlung hatte ich eine Aussprache mit dem damaligen Gaukulturwart Alwin Rüffer, um dessen kulturelle Auffassung unserer Angelegenheit zu erfahren. Erfreulicherweise war seine Einstellung zu unseren Zielen positiv, und ich riskierte, meine Karten aufzudecken. Wir hatten an ihm eine sehr gute Stütze.“ Es versteht sich, dass diese offizielle Unterstützung nur möglich war, weil die Gründer des OKB einen konservativen, weitgehend einem akademischen Impressionismus des 19. Jahrhunderts verhafteten Kunstbegriff hatten. Die künstlerischen Avantgarden des beginnenden 20. Jahrhunderts, die von den Nationalsozialisten als „entartet“ verfemt waren, waren im OKB nicht vertreten. eim statt, es folgt von September bis November eine zweite im Turmhaus am Brandplatz in Gießen. An gleicher Stelle stellt der OKB im Mai/Juni 1944 aus, zeitgleich auch in Marburg. „Unsere ersten Ausstellungen zeigten schon offensichtlich unsere Bestrebungen und Ziele. Als Herrn Rüffer daraufhin vom Gauleiter Jakob Sprenger nahegelegt wurde, die Verbindung zum OKB abzubrechen, trat er freiwillig aus dem Parteidienst aus.“ Der OKB wird unbequem. „Um dem OKB die Ausstellungsmöglichkeiten zu unterbinden, wurde der neu gestrichene Ausstellungsraum im Turmhaus am Brandplatz dem Theater für den Fundus zur Verfügung gestellt. Somit hörte natürlich auch die Tätigkeit des Bundes nach außen hin auf. Auch meine nochmalige Einberufung hinderte mich an der Weiterführung …“
• Gründung des OKB (1943–1945)
• Wiederbelebungsversuche (1971 –1982)
• Mit neuem Schwung (1982 – 2003)